• Strafrecht

Tödliche Vollnarkose – Körperverletzung mit Todesfolge

Foto: yaser mobarakabadi

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.08.2025 – Az. 5 StR 55/25 (1. Instanz: LG Hamburg) – thematisiert ein Ereignis aus Mai 2016, bei dem ein 18-jähriger im Rahmen einer Vollnarkose ein Lungenödem erleidet und infolgedessen verstirbt.

Angeklagt waren der Anästhesist und die behandelnde Zahnärztin. Der Geschädigte war für eine umfangreiche Zahnsanierung in der Zahnarztpraxis. Da der Patient unter ständigen Zahnschmerzen litt und sich aus Furcht jahrelang nicht hatte behandeln lassen, sollte die Zahnsanierung unter Vollnarkose stattfinden.

Die Narkose sollte insgesamt acht Stunden dauern, wobei der angeklagte Anästhesist es unterließ, den Patienten im Vorhinein darüber aufzuklären, dass seine apparative Ausstattung und das eingesetzte Personal nicht den Mindestanforderungen der ärztlichen Leitlinien entsprachen.

Der Umfang der um 9:00 Uhr begonnenen Behandlung stellte sich im Laufe der Behandlung größer als erwartet heraus und um 17:30 Uhr wurde erstmals ein Abfall der Sauerstoffsättigung und Pulsfrequenz festgestellt. Um 18:10 Uhr betätigte die Angeklagte Zahnärztin den Notruf. Dieser konnte jedoch nichts mehr ausrichten, durch den Einsatz eines engen Beatmungstubus kam es zu einem schweren Lungenödem. Der Patient verstarb noch am Abend im Krankenhaus.

Während der angeklagte Anästhesist Kenntnis über den Ausführungsstandard hatte und das Gericht von der für ihn heraussehbaren Verwirklichung eines typischen Risikos einer Vollnarkose ausging, erkannte die mitangeklagte Zahnärztin dieses Risiko – aus Sicht des zunächst befassten erstinstanzlichen Gerichts – nicht. Die Zahnärztin soll vielmehr darauf vertraut haben, dass der anwesende Anästhesist die Vollnarkose mit der gebotenen Sorgfalt durchführen würde.

Das Landgericht Hamburg stellte in der ersten Instanz deshalb fest, dass sich der Anästhesist einer Körperverletzung, in Form einer das Leben gefährdenden Behandlung, mit Todesfolge, strafbar gemacht hat. Die mitangeklagte Zahnärztin wurde demgegenüber in erster Instanz freigesprochen.

Im anschließenden Revisionsurteil stellte der Bundesgerichtshof sodann jedoch einen Mangel des Strafausspruchs fest. Der Freispruch der Zahnärztin wurde aufgehoben, da das Landgericht außer Acht gelassen hatte, dass die Narkose mangels umfangreicher Voruntersuchung des Patienten auf einer insgesamt unsicheren Grundlage geplant war und die Zahnärztin nach Überschreitung der vorerst angenommenen Behandlungsdauer nicht dem Gebot gegenseitiger Information und Koordination gegenüber dem Anästhesisten gerecht geworden ist.

Das Landgericht Hamburg muss nun gegen beide Angeklagte erneut verhandeln und entscheiden.

Vivien Tzelepis, LL.M., Rechtsanwältin u. Fachanwältin für Strafrecht und Minari Cathrine Holloway, Studentin der Rechtswissenschaften

 

Foto: © yaser mobarakabadi (https://unsplash.com)

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